Ungereimtheiten bei Geschwindigkeitsmessung

In Aus unserer Praxis by HMS

Unserem Mandanten Marcel K. wurde ein Bußgeld in Höhe von 160,00 €, 2 Punkte im FAER sowie ein 1-monatiges Fahrverbot auferlegt, da ihm bei einer Geschwindigkeitskontrolle statt der erlaubten 60 km/h eine Geschwindigkeit von 99 km/h vorgehalten wurde, wobei bereits der Toleranzwert von 4 km/h abgezogen war. Resultierender Tatvorwurf: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von 39 km/h.

Nach Einsicht in die Ermittlungsakte zeigte sich, dass die Beweismittel zum Tatvorwurf nicht vollständig vorlagen. Besonders zu betonen gilt es dabei, dass auch die Messrohdaten der Messserie, die mit einem sogenannten „PoliScan Speed-Messgerät” der Firma Vitronic erzeugt wurden, fehlten. Somit war es für den Sachverständigen unmöglich, eine qualifizierte Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung und des aus dieser Messung resultierenden Tatvorwurfes durchzuführen.
Im Rahmen des ersten Hauptverhandlungstermins beim Amtsgericht Riesa wurde das vorläufige Gutachten vorgelegt, woraufhin der zuständige Richter anordnete, dass die kompletten Beweisunterlagen – insbesondere auch die Messrohdaten – für eine ergänzende Begutachtung herausgegeben werden müssen.
Die Auswertung der ergänzend vorgelegten Beweismittel ergab, dass bei der entsprechenden Messserie insgesamt 49 Falldaten erzeugt wurden, von denen die 46. Messung aus unerklärbarem Grund von der Auswertesoftware als gerichtsunverwertbar beurteilt wurde. Nach einer Stichprobenüberprüfung der restlichen 48 Falldaten konnten weitere Ungereimtheiten mit Messwertabweichungen von bis zu 3 km/h aufgezeigt werden. Des Weiteren ergab die Überprüfung auf Basis der zur Verfügung stehenden Messdaten, dass bei der Messung des Betroffenen eine um 1 km/h geringere Geschwindigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Der zuständige Messbeamte teilte uns mit, die Messung sei mit einem speziellen Equipment der Firma Vetro (private Messorganisation) erfolgt. Nach Beendigung der Messserie habe er die Messwerte von dem zu diesem Equipment gehörenden Laptop der Firma auf einen Stick ausgelesen und diesen dem Fahrer der Firma Vetro zur Auswertung bzw. „Datenaufbereitung” mitgegeben. Ein Löschen der Daten auf dem Laptop sei nicht erfolgt.

Weitere Recherchen ergaben, dass die private Messfirma Vetro die ausgewerteten und aufbereiteten Messdaten an die Bußgeldbehörde weitergeleitet hat, wo die Daten in die eigene Behördensoftware eingespielt wurden – und dies offensichtlich ohne jegliche Überprüfung. Das bedeutet zwangsläufig, dass die Ermittlungen zum Tatvorwurf gegen unseren Mandanten nicht von hoheitlicher Seite, sondern von einem privaten Anbieter vorgenommen wurden. Genau das ist jedoch vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen; folglich war die Verwertbarkeit der Messung mehr als fraglich.

Aufgrund der im Rahmen der präzisen technischen Überprüfung der Messung und das Aufdecken von zahlreichen Ungereimtheiten, verzichtete der zuständige Richter auf die Verhängung des 1-monatigen Fahrverbotes.

Fazit: Es kann also nur jedem empfohlen werden, Vorwürfe von Geschwindigkeitsverstößen technisch und rechtlich genauestens prüfen zu lassen, da sich viele dieser Tatvorwürfe ganz oder teilweise entkräften lassen.