Immer häufiger anzutreffen: Panzerblitzer / Blitzeranhänger – was steckt hinter dem Blechkasten?

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Haben Sie einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid erhalten und unter dem Punkt Beweismittel ist „Messung mit Lasergerät und Foto“ oder „Vitronic PoliScan“ dokumentiert, so handelt es sich in der Regel um ein Verkehrsüberwachungsgerät der Fa. VITRONIC Dr.-Ing. Stein Bildverarbeitungssysteme GmbH.

Eines zur Überwachung von Rotlichtverstößen und Geschwindigkeitsüberschreitungen entwickeltes Verkehrsüberwachungsgerät der Fa. VITRONIC ist das PoliScan FM1. Der Messeinsatz bei diesem Gerät kann wahlweise stationär, semi-stationär als auch mobil erfolgen. Dabei wird unter einer stationären Betriebsart des Messsystems umgangssprachlich eine „Blitzersäule“ bzw. ein „Säulenblitzer“ verstanden, welches längerfristig an einer Messörtlichkeit fest installiert wird. Beim mobilen Einsatz wird die Messeinheit kombiniert mit einem Dreibein-Stativ am entsprechenden Fahrbahnrand aufgestellt oder im Innenbereich eines Fahrzeuges installiert. Der Vorteil der mobilen Einsatzmöglichkeit ist der schnelle Auf- und Abbau des Messsystems, wodurch der Messort innerhalb eines Tages deutlich einfacher gewechselt werden kann.

Im Fachjargon wird unter dem semi-stationären Messeinsatz der sogenannte „Spezialanhänger“ bzw. „Enforcement-Trailer verstanden. Der Laie kennt den „Spezialanhänger“ eher unter den Begrifflichkeiten „Blitzeranhänger“ oder „Panzerblitzer“ und wird diesen in der letzten Zeit vermutlich häufiger auf Autobahnen oder im innerstädtischen Bereich spätestens beim Schnappschuss bemerkt haben. Hierbei ist das Messgerät in einem – wie der Name schon verrät – Anhänger fest installiert, dessen robuste Außenhaut gegen Umwelteinflüsse und Vandalismus schützen soll. Ausgestattet mit einem Batterie-Paket umfasst der Messzeitraum in der Regel mehrere Tage oder Wochen an einem ausgewählten Standort. Erkennt man auf dem Dach des Anhängers eine kleine Antenne, wurden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Messdaten bereits per DFÜ (Datenfernübertragung) über ein Modem an die Auswertestelle der Polizei oder der Kommune gesendet. Demnach lohnt sich heute nicht mehr bei Spezialanhängern mit ausgerüsteter Antenne, einen nachträglichen Boxenstopp an dem „Blitzerkasten“ einzulegen und an diesem ordentlich Dampf abzulassen. Auch nicht, wenn Sie gerade an das geschossene „Passfoto“ erinnert wurden und Ihnen deshalb Ihre innere Wut die Luft zum Atmen raubt.

Das Grundmessprinzip des PoliScan FM1 basiert auf der Laserpuls-Laufzeitmessung (LIDAR-Laser-Technik). Dieses Messprinzip ermöglicht aus einer kombinierten Weg- und Zeitmessung die Position und die Geschwindigkeit eines Objektes innerhalb einer definierten Messstrecke zu ermitteln. Dabei werden ständig kurze gebündelte Lichtimpulse in einem Entfernungsbereich von bis zu ca. 75 m ausgesendet, die nach dem Auftreffen auf der Oberfläche eines Objektes reflektiert und anschließend erneut vom Empfänger des LIDAR erkannt werden. Aus den einzelnen Zeitinformationen zur Reflexionsdauer und unter Hinzuziehung bekannter und konstanter Größen erfolgt neben der Bestimmung der Objektposition im Überwachungsbereich auch die Berechnung einer mittleren Geschwindigkeit des jeweiligen Objektes (Fahrzeug). Dafür muss das Fahrzeug während einer Messung über eine Messstrecke von mindestens 10 m lückenlos erfasst werden. Dabei darf in der Beobachtungszeit maximal eine Lücke von 15 m bzw. 2 s zwischen zwei Einzelmessungen vorliegen, andernfalls wird die Messung annulliert. Dabei prüft das Messsystem ständig die sich ändernden Einzelmesspunkte auf Zugehörigkeit zu dem gemessenen Fahrzeug. Sollten die einzelnen Messpunkte zu stark voneinander abweichen oder sich nicht gemeinsam bewegen, sodass eine Messwertzugehörigkeit nicht eindeutig einem Objekt zugeordnet werden kann, wird die Messung verworfen. Die Messwerte statischer Objekte, d. h. nicht bewegter Objekte wie Bäume oder Leitpfosten, bleiben bei den Messungen hingegen unberücksichtigt. Laut Hersteller soll die Messsensorik des PoliScan FM1 eine mehrspurige Fahrbahnüberwachung erlauben, sodass parallele Geschwindigkeitsmessungen mehrerer Fahrzeuge auf unterschiedlichen Fahrspuren zeitgleich realisierbar sind. Außerdem können zwei unterschiedliche Auslösegrenzwerte im Messgerät eingestellt werden, da sich die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten teilweise für Fahrzeuge unterschiedlicher Fahrzeugklassen (PKW, LKW) auf Streckenabschnitten wie Autobahnen unterscheiden können. Der Auslösegrenzwert beschreibt dabei die Schwelle, bei der bei Überschreitung ein Geschwindigkeitsverstoß dokumentiert wird. Liegt die gemessene Geschwindigkeit unterhalb des Auslösegrenzwertes, so erfolgt keine Speicherung bzw. Dokumentation der Messung.

In den jeweiligen Fassungen der Gebrauchsanweisungen des Herstellers werden Anforderungen an das Mess- und Auswertepersonal, an die Messörtlichkeit, dem korrekten Aufstellen des Messsystems, der Dokumentation des Messeinsatzes in einem Messprotokoll und der Auswertung von gespeicherten Verkehrsverstößen definiert. Nicht zuletzt sind neben dem Einhalten der Vorgaben aus der Gebrauchsanweisung des Messgerätes bei einem Messeinsatz auch die der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig und Berlin (PTB) sowie des Mess- und Eichgesetzes zu berücksichtigen, damit von einem standardisierten Messverfahren gesprochen werden kann. Unter der Bezeichnung „Standardisiertes Messverfahren“ wird ein vereinheitlichtes Verfahren verstanden, bei denen bei unterschiedlichen Messabläufen unter gleichen technischen Voraussetzungen gleiche Messergebnisse zu erwarten sind. Behörden, Ämter und Gerichte verlassen sich bei Messgeräten, die einem standardisierten Messverfahren entsprechen, dabei auf die Richtigkeit der Messergebnisse, um entsprechende Bußgelder, Punkte in Flensburg oder gar Fahrverbote in Form von Bescheiden zu verhängen. Erst durch einen begründeten Anlass, bei der die Richtigkeit der Messung angezweifelt und auf mögliche Mess- oder Formfehler verwiesen wird, führt zu einer genaueren Betrachtung des Vorwurfs. Für genauere Betrachtungen des Tatvorwurfes und der Messung werden dann in der Regel Sachverständige der Verkehrsmesstechnik hinzugezogen, sowohl seitens der Gerichte als auch seitens der Betroffenen in Verbindung mit Rechtsanwälten.

Durch die Bearbeitung einer Vielzahl an verkehrsmesstechnischen Tatvorwürfen konnte festgestellt werden, dass neben technischen Fehlern auch formale Fehler häufig dazu führen können, dass das Strafmaß teilweise reduziert oder der Tatvorwurf gar eingestellt wird. Dabei werden Herstelleranforderungen nur halbherzig berücksichtigt, sei es bei der korrekten Aufstellung des Messsystems vor dem Messbeginn, der spartanischen Dokumentation zur jeweiligen Messung im Messprotokoll oder der fehlenden Schulungsnachweise des Bedienpersonals, die die besondere Fachkunde beim Einsatz und der Bedienung des Messgerätes bestätigen sollen.

Hinsichtlich der Aufstellung des Messsystems am seitlichen Fahrbahnrand gibt der Hersteller VITRONIC in seinen derzeit gültigen Fassungen bestimmte Vorgaben zum Schwenkwinkel, zur Aufstellhöhe bzw. zur Einhaltung eines Mindestkurvenradius bei Messungen in Kurven vor.

Trotz dessen, zeigt die Realität, dass immer wieder Fehler beim Einrichten des Messsystems vor Messbeginn gemacht werden, sodass Fehlmessungen nicht auszuschließen sind, auch wenn die herstellerseitig definierten Auswertevorgaben eingehalten wurden.

Eine Überprüfung des Geschwindigkeitsmesswertes sowie der Abbildungsposition des Fahrzeuges im Messfoto kann im Rahmen eines verkehrsmesstechnischen Gutachtens Klarheit schaffen. Aus der Alltagspraxis ist leider bekannt, dass die vollständigen Rohmessdaten einer Messung des PoliScan FM1 nicht gespeichert werden, sodass neben der fotogrammetrischen und grafischen Auswertung des Messfotos nur Plausibilitätsprüfungen anhand von wenigen ausgewählten Messpunkte erfolgen können.

Bei der Geräte-Softwareversion 4.4.5 ist neben der fotogrammetrischen Bildvermessung noch eine Überprüfung des Geschwindigkeitsmesswertes mittels einer Regressionsanalyse möglich, bei der die zur Verfügung stehenden fünf zufällig ausgewählten Einzelmesswerte auf ihren mathematischen Zusammenhang hin überprüft werden. Bedauerlicherweise ist bei der aktuellen Softwareversion 4.4.9 eine solche Analyse nicht mehr möglich, da bei vier der fünf Messpunkte die Zeitstempel durch den Messreihenstart überschrieben werden und die Entfernungsdaten der ersten und letzten Messung durch die fiktiven Werte „50,0 m“ und „20,0 m“ ersetzt werden. Gleichwohl bleibt hier die Überprüfung der Fahrzeugposition über die fotogrammetrische Auswertung des Messfotos nach wie vor bestehen, sodass neben dem Schwenkwinkel des Messgerätes auch der Längsabstand zu dem Betroffenenfahrzeug bestimmt werden kann und der Entfernungsmesswert zum Zeitpunkt der Beweisfotoaufnahme zumindest auf Plausibilität hin überprüft werden kann. Stimmt die Fahrzeugposition nicht mit der Soll-Position überein, bestehen begründete Zweifel an der Korrektheit der Messung.

Eine messdatenunabhängige Überprüfungsmöglichkeit des Geschwindigkeitsmesswertes kann vereinzelt auch durch die grafische Auswertung sogenannter Smear-Streifen (Lichtspuren) im Messfoto erfolgen, sofern diese durch das Betroffenenfahrzeug ausgebildet wurden und einem hellen Lichtpunkt am Fahrzeug – meist den Scheinwerfern – zugeordnet werden können. Dabei kann aus dem Grad der Schrägstellung des Lichtstreifens die Geschwindigkeit des abgebildeten Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Messfotoauslösung eingrenzt werden.

Für eine vollumfängliche Überprüfung der Messung sollte daher immer die gesamte Messserie im Überwachungszeitraum des Betroffenenfahrzeuges für vergleichende Betrachtungen ausgewertet werden und nicht nur bei Auffälligkeiten, die sich eventuell bei der Auswertung der Einzelfalldatei zur Messung des Betroffenenfahrzeuges gezeigt haben. Aus der Gesamtauswertung der Messserie können schließlich Rückschlüsse über systematische Fehler gezogen und entsprechend bewertet werden.

Mit spezieller Software und der zur digitalen Falldatei gehörenden Schlüsseldatei kann im Rahmen eines verkehrsmesstechnischen Gutachtens, neben der fotogrammetrischen und grafischen Überprüfungsmöglichkeit der Beweisfotos, die Verifizierung der Authentizität und damit verbunden die digitale Signatur der digitalen Messdatei analysiert werden. Nur damit lässt sich die Vollständigkeit und Korrektheit der Falldateien sicherstellen, sodass die Messdatei behördlicherseits auch verwendet und ausgewertet werden darf.

Somit kann zusammengefasst festgehalten werden, dass Verkehrsverstöße, die mit einem PoliScan FM1 Messgerät erfasst und dokumentiert wurden, genügend Angriffspotenzial sowohl aus technischer als auch formaler Sicht anbieten, um im Rahmen einer verkehrsmesstechnischen Begutachtung Tatvorwürfe infrage zu stellen.

Schließlich kann ein sogenanntes BLITZERGUTACHTEN konkrete Anhaltspunkte für etwaige Messfehler liefern. Diese, bei der individuellen technischen Überprüfung festgestellten Auffälligkeiten, müssen im entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren durch den Betroffenen selbst oder durch den für ihn tätigen Rechtsanwalt ausdrücklich vorgetragen werden. In vielen Fällen können dadurch Punkte in Flensburg (FAER) vermieden oder ein drohendes Fahrverbot abgewendet werden. Nicht selten kommt es auch zur vollständigen Einstellung des Verfahrens.

Aus unserer langjährigen Erfahrung bietet die kooperative Zusammenarbeit zwischen fachkundigen Rechtsanwälten und Sachverständigen für Verkehrsmesstechnik die besten Chancen den erhobenen Tatvorwurf ganz oder teilweise zu entkräften.