Vom „Starenkasten“ geblitzt?

In Messtechnik by BlitzerGutachten

Typische Tücken der Piezomessung mit dem Traffipax TraffiStar S330 und TraffiPhot S kurz zusammengefasst.

Abbildung 1 zeigt die in der Fahrbahn eingelassenen Piezosensoren.

Insofern Sie geblitzt wurden und innerhalb des Anhörungsbogens oder des Bußgeldbescheides als Beweismittel die sogenannte Piezomessung angegeben ist, so wurde Ihre Geschwindigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Messgerät Traffipax Traffistar S330 des Herstellers ROBOT Visual Systems GmbH oder seinem Vorgänger dem TraffiPhot S, welche umgangssprachlich auch unter dem Namen „Starenkästen“ bekannt sind, gemessen.

Die Geschwindigkeitsmessung beim Traffistar S 330 respektive TraffiPhot S erfolgt durch drei in der Fahrbahn verlegte Piezosensoren (s. Abb.1). Überfährt ein Fahrzeug die Sensoren, so wirkt eine Kraft auf diese, welche in Form eines elektrischen Signals entweder an einen analogen Piezovorverstärker oder einen sogenannten intelligenten Piezo-Vorverstärker (IPV) weitergeleitet werden.

Auf Basis der Stärke des ausgeübten Drucks auf den Piezosensor, kann das Messgerät zunächst zwischen einem Pkw und einem Lkw differenzieren, was auch für die verschiedenen Geschwindigkeitsbeschränkungen zwischen Pkw und Lkw und der damit verknüpfte Auslösegrenzwert essenziell ist.

Abbildung 2 zeigt das Messprinzip des Überfahrens der drei in der Fahrbahn eingelassenen Piezosensoren.

Wird das entsprechende Fahrzeug vom Messgerät erkannt, so wird die Geschwindigkeit nach dem Verfahren der Weg-Zeit-Messung durch die im Abstand von je einem Meter in die Fahrbahn eingelassenen Sensoren, die den durch die Räder einer Achse eingeleiteten Druck registrieren, berechnet und entsprechend verglichen. Dabei werden insgesamt drei Referenzmessungen zwischen den Sensoren 1 und 2, 2 und 3 sowie 1 und 3 durchgeführt.

Die Geschwindigkeitsmessungen auf Basis von Piezosensoren zählen, insoweit das Messgerät entsprechend den Vorgaben des Messgeräteherstellers sowie der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen ist, zu den sogenannten standardisierten Messverfahren. Standardisierte Messverfahren als solche sind vereinheitlichte Verfahren, bei denen die Abläufe so festgelegt sind, dass unter gleichen technischen Voraussetzungen auch gleiche Messergebnisse zu erwarten sind. Werden Geschwindigkeitsverstöße also auf Basis von standardisierten Messverfahren ermittelt, so dürfen die Behörden und das Bußgeldgericht zunächst auf die Richtigkeit der Messergebnisse vertrauen, was folglich dazu führt, dass das Gericht nur bei begründetem Anlass von Messfehlern den Geschwindigkeitsverstoß genauer betrachten muss.

Abbildung 3 zeigt den Intelligenten Piezovorverstärker (IPV) mit den obligatorischen Eichsiegeln.

Damit eine Geschwindigkeitsmessung mit dem TraffiStar S330 oder TraffiPhot S auch als standardisiertes Messverfahren angesehen werden kann, muss das Messgerät jedoch zunächst entsprechend seiner Gebrauchsanweisung verwendet werden, die genauen Vorgaben der PTB einhalten und sich zudem im geeichten Zustand befinden.

Neben den vorgenannten Verstößen sind aber auch technisch bedingte Messfehler, die beispielsweise durch Erschütterungen von parallel fahrenden Fahrzeugen, welche auf der benachbarten Fahrbahn fahren oder bremsen, verursacht werden können, nicht auszuschließen.

In der Vergangenheit hat sich durch die Begutachtung einer Vielzahl von Messungen mit dem TraffiStar S330 bzw. dem TraffiPhot S zudem herausgestellt, dass bei einer Parallelfahrt eins Fahrzeuges über mehrere Fahrstreifen, beispielsweise im Rahmen eines Überholvorganges auf der Autobahn (rechte Räder auf dem mittleren Fahrstreifen, linke Räder auf dem linken Fahrstreifen), unterschiedliche Geschwindigkeiten in den jeweiligen Messfotos dokumentiert wurden. Die Abweichungen liegen typischerweise in einem Bereich von 2 km/h, was insbesondere bei knappen Überschreitungen der Bußgeldtabellen (also bspw. 31 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften) von Relevanz sein kann. Insoweit ist eine Geschwindigkeitsmessung speziell im Hinblick auf das standardisierte Messverfahren, welches, wie zuvor bereits erläutert, unter gleichen technischen Voraussetzungen auch gleiche Messergebnisse erwarten lassen, eher kritisch zu betrachten.

Abbildung 4 zeigt das Innenleben der Schaltzentrale des Traffipax TraffiPhot S

Zwar lassen sich diese Messwertabweichung nicht direkt auf eine fehlerhafte Installation des Messgerätes oder der Piezosensoren zurückführen, werden aber laut Herstellerangaben bereits vorsorglich durch die Gerätetoleranz von 3 km/h bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h bzw. 3 % bei Geschwindigkeiten ab 100 km/h abgedeckt.

Rechtlich gesehen ist hierbei jedoch zu hinterfragen, welcher der beiden Messwerte nun als Grundlage für den Toleranzabzug herangezogen werden kann. Auch diesbezüglich hat sich der Hersteller dahingehend eingelassen, dass bei derartigen Feststellungen der geringere der beiden Ergebnisse zu bevorzugen ist. Da aber nicht in jedem Einzelfall auch zwei Messungen ausgelöst werden und sich dadurch gewisse Unsicherheitsfaktoren ergeben, kommen diverse technische Überprüfungen daher zu dem Ergebnis, dass hier ein zusätzlicher Abzug von bis zu 2 km/h zu diskutieren ist, was im Einzelfall jedoch immer einer rechtlichen Würdigung bedarf.

Ein verkehrsmesstechnisches Gutachten kann über die zuvor genannten Tücken der Piezomessung Aufschluss geben und auch darüber hinaus weiteres Licht ins Dunkle bringen.

Aus unserer täglichen Praxis heraus ist uns zwar leider bekannt, dass vom TraffiStar S330 respektive TraffiPhot S keine Rohmessdaten gespeichert werden, sodass die Geschwindigkeitsmessung dahin gehend nicht näher auf etwaige Messfehler überprüft werden kann, jedoch bietet die sogenannte fotogrammetrische Auswertung eine Möglichkeit, die Geschwindigkeit, die das Betroffenenfahrzeug auf dem Messfoto hatte, zu ermitteln.

Mit der entsprechenden Software kann das Messfoto demnach zunächst kalibriert werden, sodass anhand dessen im Anschluss der Abstand zwischen dem letzten Sensor und den vorderen Radaufstandspunkten des Betroffenenfahrzeuges vermessen werden kann. Mit dieser Information kann auf Basis verschiedener Berechnungen die sogenannte Fotoverzugszeit errechnet werden, welche wiederum Rückschlüsse auf die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit ermöglicht.

In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch die fotogrammetrische Auswertung ihre Grenzen hat, da auch Umfeldbedingungen wie die Einstellung der Kamera und die Licht- sowie Witterungsverhältnisse Einfluss nehmen können. In einigen Fällen geht es daher vor allem um grobe Einschätzungen der Geschwindigkeiten und der Plausibilisierung des amtlichen Messwertes. Daher ist es aus sachverständiger Sicht immer ratsam nicht nur die Überprüfung der einzelnen Falldatei des Betroffenenfahrzeuges durchzuführen, sondern aus Referenzgründen die gesamte Messserie im Aufzeichnungszeitraum anzufordern und entsprechend fotogrammetrisch zu überprüfen. Die Ergebnisse der Messserie sind dann mit der Falldatei des Betroffenen zu vergleichen, um eine stichhaltige Aussage über die Plausibilität der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenenfahrzeuges treffen zu können.

Neben der recht zeitaufwendigen fotogrammetrischen Überprüfung der einzelnen Messfotos, können sachverständigenseits im Rahmen eines verkehrsmesstechnischen Gutachtens mit der entsprechenden Software und der obligatorischen Schlüsseldatei diverse weitere Überprüfungen, wie die Überprüfung der Datenintegrität der Falldatei, durchgeführt werden. Die Datenintegrität der Falldatei bestätigt unter anderem die Vollständigkeit und Korrektheit der Falldateien und ist ausschlaggebend dafür, ob die digitale Falldatei überhaupt von der Behörde ausgewertet bzw. verwendet werden darf.

Zusammenfassend zeigt sich also, dass die Messgeräte TraffiStar S330 bzw. TraffiPhot S allerhand Angriffsfläche bieten, um die Messwertbildung bzw. gemessenen Geschwindigkeiten stichhaltig infrage zu stellen.

Flattert bei Ihnen also völlig unverhofft ein Knöllchen ins Haus, weil Sie vom Starenkasten erwischt wurden, so wissen Sie nun, dass ein von uns sorgfältigst erstelltes Gutachten, welches sowohl die formalen als auch die umfangreichen technischen Überprüfungen beinhaltet, helfen kann, Sie vor etwaigen Punkten in Flensburg, Fahrverboten oder im schlimmsten Falle sogar vor dem Entzug der Fahrerlaubnis zu bewahren.