Verwendung des Messgeräts PoliScan Speed umstritten

In Messtechnik by HMS

Kaum ein Messgerät sorgt derart für Kontroversen wie das PoliScan speed der Firma Vitronic. Von technischen Sachverständigen sowie von Juristen wird immer wieder Kritik an der Verwendung dieses Geräts geübt. Es bestehen starke Zweifel, dass es sich überhaupt um ein standardisiertes Messverfahren handelt.

Unter einem standardisierten Messverfahren ist, so der BGH, ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Was spricht gegen die Zuverlässigkeit von PoliScan speed?

Das PoliScan speed wird sowohl stationär (meist in einer silbernen Säule) als auch mobil verwendet. Das Messverfahren ist komplex. Die grundlegende Funktionsweise ist die, dass das Gerät Laserstrahlen aussendet, die von dem Fahrzeug reflektiert werden. Die Kritik entzündet sich nun daran, dass Messung und Auslösen des Fotos nicht gleichzeitig erfolgen. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit gemessen wurde, nicht mit dem fotografierten Fahrzeug übereinstimmt. Um eine fehlerhafte Messwertzuordnung auszuschließen, enthält das Foto einen Auswertrahmen. Die korrekte Zuordnung ist schon dann zweifelhaft, wenn sich mehrere Fahrzeuge im Auswertrahmen befinden. Weiterhin ist die Messwertbildung nicht nachvollziehbar, weil die Herstellerfirma aus patentrechtlichen Gründen die vollständigen Messdatensätze nicht offenlegt. Das Gerät liefert immer nur das Ergebnis, nicht dessen Zustandekommen.

Wie urteilen die Gerichte?

Aufgrund dessen haben einige Gerichte die Verwertbarkeit von PoliScan speed Messungen verworfen und Betroffene freigesprochen (so unter anderem Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10. Dezember 2012, Aktenzeichen 444 OWi-606 Js 31/12-93/12).

Insbesondere das Amtsgericht Emmendingen spricht Klartext und lässt sich auch von „seinem” OLG, dem OLG Karlsruhe, nicht beirren, das einen Freispruch des Amtsgerichts in einem solchen Fall aufgehoben hatte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24. Oktober 2014, Aktenzeichen 2 (7) SsBs 454/14; 2 (7) SsBs 454/14 – AK 138/14).

Das OLG Karlsruhe folgt der Linie der meisten Obergerichte, die Geschwindigkeitsmessung mittels PoliScan Speed als standardisiertes Messverfahren einzustufen (so etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14) – und zwar hauptsächlich mit dem Argument, dass diePhysikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) das Messverfahren zugelassen habe; deshalb sei die Herausgabe und Auswertung der vollständigen Messunterlagen in der Regel nicht erforderlich, es sei denn, es ergäben sich konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung.

Das Amtsgericht Emmendingen hält diese Argumentation in seiner sehr ausführlichen Entscheidung vom 13. November 2014 (Aktenzeichen 5 OWi 530 Js 17298/13) für einen Zirkelschluss:

„Die Auffassung, dass eine nähere Überprüfung der gemessenen Geschwindigkeitswerte nur geboten sei, wenn zuvor im konkreten Fall Anhaltspunkte für eine Fehlmessung dargelegt worden seien (so z. B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2014 – s. o.), ist damit nicht zu vereinbaren. Sie erinnert an das Bild von der Katze, die sich in den Schwanz beißt. Wie soll denn ein Verteidiger eine Messung in Frage stellen, wenn er deren Grundlage nicht kennt?”

Es bleibt bei seinem Grundsatz, Betroffene nach dem Grundsatz „in dubio pro reo” freizusprechen, und schließt:

„Es spricht viel dafür, dass es bundesweit eine Unmenge von Leichen in den Kellern der Bußgeldbehörden gibt. Das Amtsgericht Emmendingen will denen jedenfalls keine weiteren hinzufügen.”

In jüngster Vergangenheit hat das OLG Oldenburg (Beschl. v. 06. Mai 2015, Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 65/15) die obergerichtliche Rechtsprechung „sanft” durchbrochen und es als Verstoß gegen das rechtliche Gehör eingestuft, dass dem Betroffenen die Messdateien nicht zugänglich gemacht worden seien. Welche Auswirkungen dieser Beschluss hat, ist allerdings noch nicht absehbar.

Vorgehen gegen Messungen mittels PoliScan Speed lohnt sich

Die „Sache” mit PoliScan Speed ist also im Fluss. Unabhängig davon, wie sich die Rechtsprechung entwickelt, lohnt sich ein Vorgehen gegen Messungen mittels PoliScan Speed. Konkrete Messfehler im Einzelfall sind nicht ausgeschlossen. Viele Sachverständige gehen davon aus, dass die Fehlerquote bei PoliScan Speed hoch ist und Messfehler auch nachgewiesen werden können.